Eric Nussbaumer äussert sich in der Nationalratsdebatte aus einer grundsätzlichen Perspektive zur Mindestlohninitiative. Er zitiert dabei aus einer jüngsten couragierten Publikation des Papstes:
Ich habe mich entschieden, zu dieser Initiative ein paar grundsätzliche Gedanken zu formulieren. Grundsätzliches zu Fairness in unserem Wirtschaftssystem darzulegen, würde die Redezeit aber sprengen. Darum kann ich nur auf einige Aspekte eingehen, welche die Würde und das Leben der arbeitenden Menschen mit tiefen Löhnen in unserem Land betreffen.
Ich zitiere dazu aus einer in den letzten Tagen erschienen Publikation wie folgt:
Wir dürfen [jedoch] nicht vergessen, dass der größte Teil der Männer und Frauen unserer Zeit in täglicher Unsicherheit lebt, mit unheilvollen Konsequenzen. […] Angst und Verzweiflung ergreifen das Herz vieler Menschen, sogar in den sogenannten reichen Ländern.
Man muss kämpfen, um zu leben – und oft wenig würdevoll zu leben.
…Wir müssen heute ein „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“ sagen. Diese Wirtschaft tötet.
Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht. Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt: ohne Arbeit, ohne Aussichten, ohne Ausweg [Ich füge an: oder sie arbeiten als Working Poor für einen zu geringem Lohn].
Es geht nicht mehr einfach um das Phänomen der Ausbeutung und der Unterdrückung, sondern um etwas Neues: Mit der Ausschließung ist die Zugehörigkeit zu der Gesellschaft, in der man lebt, an ihrer Wurzel getroffen, denn durch sie befindet man sich nicht in der Unterschicht, am Rande oder gehört zu den Machtlosen, sondern man steht draußen.“
Geschätzter Bundesrat, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Die Ansicht, der freie Markt und eine Wirtschaft ohne faire Mindestöhne in allen Branchen würde dennoch allen mehr Wohlstand bringen, ist naiv. Ich zitiere weiter.
Es ist ein „naives Vertrauen auf die Güte derer [aus], die die wirtschaftliche Macht in Händen halten, wie auch auf die vergötterten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems. Inzwischen warten die Ausgeschlossenen weiter.
Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit. Dieses Ungleichgewicht geht auf Ideologien zurück, die die absolute Autonomie der Märkte [und die Finanzspekulation] verteidigen. Darum bestreiten sie das Kontrollrecht der Staaten, die beauftragt sind, über den Schutz des Gemeinwohls zu wachen. Es entsteht eine neue, unsichtbare, manchmal virtuelle Tyrannei, die einseitig und unerbittlich ihre Gesetze und ihre Regeln aufzwingt.
Die Ethik wird gewöhnlich mit einer gewissen spöttischen Verachtung betrachtet. Sie wird als kontraproduktiv und zu menschlich angesehen, weil sie das Geld und die Macht relativiert. Man empfindet sie als eine Bedrohung, denn sie verurteilt die Manipulierung und die Degradierung der Person.“
Zitat Ende.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Die Schieflage bei den Löhnen und Vergütungen verlangt von uns allen – ob links oder rechts – einen Wechsel in der Grundeinstellung zur Lohnfrage. Der Kontext der reichen Schweiz verlangt, dass die Herausforderung für menschenwürdige Minimallöhne angegangen und in unserem Land real umgesetzt wird. Der Lohn muss dem Leben dienen, jeder Lohn muss würdiges Leben ermöglichen. Darum geht es. Ich empfehle ihnen das Initiativbegehren zu unterstützen.