Genossenschaften sind vorbildliche Social Business-Akteure

Genossenschaften sind vorbildliche Social Business-Akteure 150 150 Eric Nussbaumer

Von Eric Nussbaumer, Nationalrat und Sozialunternehmer

Die traditionelle Begründung für die Rechtsform der Genossenschaft ist die Selbsthilfe. Heute erkenne ich in den genossenschaftlich organisierten Unternehmen mehr als Selbsthilfe. Wir brauchen wieder Vorbilder für ein gerechteres Wirtschaften. Gerade auch Genossenschaften werden diese Vorbilder sein.

Es ist in der Zeit der Gier und der Dominanz des Kapitals wichtig, dass Unternehmen wieder eine neue Gemeinwohlorientierung entdecken und täglich und ganzheitlich praktizieren. Als erstes braucht es wieder Unternehmen, die ihren Gewinn auf soziale – und umweltverträgliche Weise erzielen. Die in Vergessenheit geratene soziale Marktwirtschaft braucht Vorbilder, die beweisen, dass sozial-ökologische Verantwortung und Gewinn keinen Widerspruch bedeuten.

Corporate Social Responsibility (CSR) genügt nicht

Zuerst das betriebswirtschaftliche Ziel erreichen und dann nach der gesellschaftlichen Mitverantwortung fragen: Das ist das gängige und blasse CSR-Konzept. Man verschreibt sich stillschweigend der Gewinnmaximierung und spendet und sponsert danach das Gemeinwesen, die Kultur und die gemeinnützigen Initiativen. Die negativen Effekte des wirtschaftlichen Handelns für Gesellschaft und Umwelt werden damit gemildert, aber nicht vermieden. Man neigt zu sagen, dass man „marktwirtschaftlich denken“ müsse und erst danach könne man die  ökologischen und sozialen
Anforderungen mit diesem Denken verbinden. Der unternehmerische Nutzen bleibt dabei immer vor dem  gesellschaftlichen Nutzen. Dieses Denken ist weit verbreitet – es genügt nicht.

Social Business knüpft bei der Genossenschaftsbewegung an

Social Business und Social Entrepreneurship sind neue Unternehmensmodelle. Bei diesem Ansatz  wird wie bei der genossenschaftlichen Selbtshilfe in der Form einer unternehmerischen Tätigkeit an der Lösung von gesellschaftlichen Probleme gearbeitet. Für Social Businesses steht – im Unterschied zum klassischen Unternehmertum – die Gewinnmaximierung im Hintergrund. Ziel ist es vielmehr, sozialen und ökologischen Nutzen zu stiften sowie nachhaltig positive Wirkungen (Social Impact) für die Gesellschaft zu erreichen. Kurz, das Unternehmen dient der Mehrung des Gemeinwohls. Genossenschaften waren schon immer Social  Business Akteure.  Sie  zeichneten sich durch einen kreativen Zugang zur gesellschaftlichen Fragestellung aus und entwickelten daraus ihre  innovativen Güter und Dienstleistungen. Genossenschaftlich motiviertes Unternehmertum sucht den Nutzen für alle, nicht die Gewinnmaximierung für ein paar Wenige.

Die Rechtsform fördert das Gemeinwohldenken

Als ich Ende der Achtziger-Jahre als Elektroingenieur die Geschäftsleitungsfunktion in einem jungen Genossenschaftsunternehmen übernehmen konnte, wusste ich noch nicht viel von Gemeinwohlorientierung in der unternehmerischen Praxis. Ich lernte aber in all den Jahren die Genossenschaft-Rechtsform zu schätzen, weil sie automatisch andere unternehmerische Fragen stellt. Was sollen unsere Produkte und Dienstleistungen bewirken? Wie können wir die alten Arbeitsplätze halten und neue schaffen? Und plötzlich merken alle: Ein wertfreies Wirtschaften gibt es nicht. Die Welt und der Markt sind nicht einfach unveränderbaren ökonomischen Gesetzen unterworfen. Aber Veränderung gelingt nur, mit vorbildlichen, gemeinwohlorientierten Unternehmen, die im eigenen unternehmerischen Handeln mehr erreichen wollen, als die Rendite des Kapitals zu maximieren.

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Eric Nussbaumer (51) ist diplomierter Elektroingenieur HTL und war von 1988 – 2009 Geschäftsleiter der ADEV Energiegenossenschaft (www.adev.ch)  in Liestal. Seit 2010 steht er der Genossenschaft als  Verwaltungsratspräsident vor.  Das Unternehmen hat sich lange vor den aktuellen energiepolitischen Diskussionen darauf spezialisiert, dezentrale umweltfreundliche Energieanlagen mit Sonne, Wind und Wasser zu bauen und zu finanzieren. Es ermöglicht Bürgerinnen und Bürger durch finanzielle Beteiligungsmodelle die Energiewende mitzugestalten. Seit 2007 ist Nussbaumer Nationalrat für den Kanton Basel-Landschaft und gehört der Sozialdemokratischen Partei an. Er steht auch der Alternativen Bank ABS als Verwaltungsratspräsident vor, einer schweizweit tätigen Bank, die explizit auf die Gewinnmaximierung verzichtet.