Strommarktöffnung – der Bundesrat in der Angst-Falle

Strommarktöffnung – der Bundesrat in der Angst-Falle 150 150 Eric Nussbaumer

Die Schweiz hat den Stromhandel erfunden. Im monopolistischen Zeitalter diente der grenzüberschreitende Handel der sicheren Stromversorgung. Schon damals war nämlich die nationale Autarkie ziemlicher Mumpitz. Die gibt es zu anständigen Kosten gar nicht.

In der EU ist der Strommarkt seit 20 Jahren wettbewerblich organisiert. Ich finde das richtig. Strom braucht Wettbewerb. Ich bin aber kein „Marktgläubiger“, der meint, ohne jegliche Regulierung stelle sich eine sichere, ökologische und effiziente Stromversorgung von alleine ein. Strom braucht Wettbewerb, Strom braucht aber auch einen fairen wettbewerblichen Ordnungsrahmen. Der europäische Ordnungsrahmen kann nach 20 Jahren immer noch verbessert werden. Denn ohne fairen Ordnungsrahmen gewinnt in jedem Wettbewerb immer der Grosse und Starke, vielleicht auch der Umweltverschmutzer. Denn ökologische Verantwortung stellt sich im Kapitalismus nicht von alleine ein. Und zurück zum Monopol ist auch kein Weg: Denn was eine Stromversorgung ohne Wettbewerb und ohne gemeinwohlorientierten Ordnungsrahmen hinkriegt, zeigt uns die Atomtechnologie eindrücklich. Was wir in den nächsten Jahren von den Monopolisten erhalten werden sind Volksschulden, Entsorgungslasten – aber sicher kein Volksvermögen.

Der Stromgrosshandel in Europa durchläuft ein harte Zeit und verschiedene Herausforderungen. Die Preise sind im Keller. Schweizer Stromunternehmen kämpfen ums Überleben. In dieser Situation könnte man meinen, der Bundesrat übernimmt eine politische Führungsfunktion und beantwortet die Frage, wie dei Schweiz sich optimal in den europäischen Markt einklinken kann. Unsere Trümpfe Wasserkraft, Speicherkraftwerke und beste Netzintegration inmitten des Stromhandels müssten wir spielen. Stattdessen warten wir ab. Wir wissen nicht, ob wir ein Stromabkommen mit der EU wollen. Wir wissen nicht, ob wir nach 20 Jahren EU-Strommarktordnung uns auch auf die volle Marktöffnung einstellen sollen. Dabei blenden wir gerne aus, was für unsere Stromwirtschaft entscheidend ist: Die vollständige Öffnung des Strommarktes ist eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss eines vorteilhaften Stromabkommens mit der EU. Wer Trümpfe spielen will, muss die Regeln des Spiels akzeptieren.

Im Frühjahr 2016 hat der Bundesrat eine schüchterne Vernehmlassung gemacht zur weiteren Strommarktöffnung. 140 Antworten sind eingegangen. 100 Antworten befürworteten die weiteren Marktöffnungsschritte. Natürlich waren darunter auch Vorbehalte und anmahnende Verbesserungsschritte. Aber nur ein Viertel empfahl eine Verschiebung der weiteren Marktöffnung. Doch der Bundesrat versteckt sich seither hinter dieser Vernehmlassung. Er legt keinen Bundesbeschluss vor und er legt auch keine Gesetzesrevision vor. So macht man Politik, wenn man Angst vor der demokratischen Auseinandersetzung hat. In der Zwischenzeit leiden die Unternehmen unter der Asymetrie der Marktordnung weiter. Kurz: Durch Verzögerung und Abwarten entsteht keine Rechtssicherheit. Und geringe Rechtssicherheit ist keine gute Wirtschaftspolitik und schadet allen Arbeitsplätzen in diesem Land. Es schadet aber vor allem dem fairen Wettbewerb.