(Bild: SRF)
Sie heissen Reservekraftwerke, sind aber nichts anderes als Geldverschwendungs-Kraftwerke, weil der Bundesrat die Energiestrategie 2050 nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges nicht logisch anpasst.
Elemente der Energiestrategie 2050 werden in Frage gestellt
In der Energiestrategie 2050 waren drei Elemente bedeutungsvoll. Erstens die vertragliche Einbettung der schweizerischen Elektrizitätsversorgung in das europäische Strom- und Handelsnetz. Niemand verkörperte die europäische Energiemarktintegration stärker als die damalige Energieministerin Doris Leuthard. Sie kannte das Dossier und hatte schon alles versucht, ein vorgezogenes Stromabkommen noch hinzukriegen. Aber auch eine Einladung an EU-Kommissionspräsident Juncker half nicht, dass die Schweiz endlich ihr Verhältnis mit der EU regeln würde. Im Interesse der Versorgungssicherheit. Schliesslich wurde sie im Bundesrat allein gelassen.
Die Schweiz verliert seither im europäischen Energie-Binnenmarkt Jahr für Jahr an Bedeutung . Mit dem Atomausstiegsentscheid hat das wenig zu tun, denn ausser Mühleberg sind alle AKWs noch tapfer in Betrieb. Aber die rechtliche Einbindung in einen grenzüberschreitenden Elektrizitätsmarkt hat die Schweiz bisher verpasst. Die Schweiz hat heute keinen einzigen rechtssicheren Vertrag mehr mit der EU, bzw. mit dem Elektrizitätsbinnenmarkt. Das ist das Resultat des bundesrätlichen Abseitsstehens in der EU-Politik.
Zweitens wollte die Energiestrategie den Ausbau der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten vorantreiben und so neue Energiemengen bereitstellen, wenn eines Tages ( 2030, 2035, 2040) die verbliebenen Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Das war bisher eher ein zögerliches Unterfangen, jetzt kommt langsam Schwung hinein. Und drittens war die Energiestrategie immer klar in Bezug auf neue Kraftwerkskapazitäten, wenn der Ausbau von Erneuerbaren Energien nicht genügend schnell voranschreiten würde, wurde erwogen, dass frühestens ab 2035 (in 12 Jahren) eine mögliche substanzielle Lücke mit Gas-Kombikraftwerken (Gas- und Dampf-Kraftwerke, GuD) und Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen gedeckt werden könnte. Nun hat der Gaskrieg mit Russland, kombiniert mit der schnellen Wahrnehmung des Klimawandels, diese dreigliedrige Umbau-Option verrückt und auch den Bundesrat konfus gemacht.
Kraftwerke ohne energetische Zielsetzung
Der Bundesrat will nun die EU-Einbindung in den europäischen Strommarkt nicht mehr wirklich vorantreiben und er setzt auf eine Stromversorgung, die mit einer Winterunterversorgung plant. Das ist haarsträubend. Anstatt die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme in Gaskombikraftwerken mit Abwärmenutzung oder Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen mit klaren Kriterien sorgfältig auf 2030 oder 2035 voranzutreiben, setzt der Bund auf den Sofortbau von energetisch ungenügenden Reservekraftwerke. Diese Kraftwerke werden ohne wettbewerblichen Druck von den gefangenen Stromkunden bezahlt . Ab 2026 sollen diese Kraftwerke (400 MW) einen 15-Jahresvertrag erhalten. Sie werden ausgeschrieben und bezahlt, damit man die Autarkie ohne EU-Energiemarkteinbindung überlebt. Es sind Geldverschwendungs-Kraftwerke, welche den Ausschluss der Schweiz aus dem europäischen Energiebinnenmarkt überdecken sollen. Man kann sich dann nicht vorwerfen lassen, nicht wenigstens eine sichere Winterversorgung versucht zu haben…
Soll man auf Reservekraftwerke bauen?
Betrachtet man die neue bundesrätliche Energie-Strategie 2050 (Plan B) richtig, dann stellt man fest, dass eine europäische Integration nicht mehr angestrebt wird. Die Versorgungssicherheit der Schweiz bleibt damit schwach. Der Ausbau der Erneuerbaren wird zum Glück (dank den Arbeiten des Parlaments) leicht beschleunigt, aber es wird nicht genügend schnell gehen. Wir werden sicher weiterhin auf Importmöglichkeiten beim Strom angewiesen sein. Optimisten sagen, die Europäer bauen ihre Wind- und Solarenergie rascher aus als wir. Das ermöglicht jederzeit Importe ohneVertrag. Ich sage: kühn.
Rechtssichere Verträge sind in der guten Unternehmensführung wichtig. Im Energiebereich fehlen diese der Schweiz. Darum werden jetzt (strategisch viel zu früh) Reservekraftwerke gebaut, denn man weiss ja nie, was einem vertragslosen Land blüht. Reservekraftwerke sah die Energiestrategie 2050 nicht vor. Es braucht sie nur, weil man die anderen strategischen Ziele – Integration in den EU- Binnenmarkt und eigener rascher Ausbau der Erneuerbaren – nicht mit aller Konsequenz verfolgt. Dass man nicht in Betrieb gehende Reservekraftwerk mit einem Gasvertrag absichern kann und dann das Gas hoffentlich gar nie braucht ist und bleibt ein kühnes Unterfangen. Kühnheit in Versorgungs- Sicherheitsfragen ist eine neue schweizerische Politiktugend.