Die Schweiz liegt mitten in Europa. Unsere europapolitische Realität kann sich dieser Tatsache nicht entziehen. Gegen diese Realität kämpfen dennoch seit Jahren isolationistische Kräfte. Sie möchten die Schweiz von der Europäischen Union fernhalten. Aber Fernhalten geht nicht, wenn man mitten in Europa lebt. Man muss die europäische Integration aktiv mitgestalten, sonst gestalten andere Länder unsere Zukunft. ( 3. Juni 2023)
Seit zehn Jahren sucht der Bundesrat nach einer zukunftsfähigen Lösung im Verhältnis mit der Europäischen Union. Er sucht nach einem gelingenden vertraglichen Verhältnis mit unseren direkten Nachbarn. Denn alle Länder um uns herum sind Mitglied der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums. Die europapolitische Nachbarschafts-Realität sollte daher auch unser Land leiten.
In diesem Suchen nach der zukunftsfähigen Lösung stellt sich auch die Frage, ob es nicht politisch klug wäre, in der Bundesverfassung die europäische Integration als Staatsziel abzubilden. Und könnte mit einem Grundsatzartikel eine breite pro-europäische Allianz geschaffen werden – gegen alle Isolationisten?
Drei Punkte sind dafür wichtig. Erstens muss sich eine neue proeuropäische Allianz gegen die isolationistische Politik formen und nicht gegen die leider immer wieder spürbare Zögerlichkeit des Bundesrates oder einzelner politischer Akteure. Zögerlichkeit ist nicht das Hauptproblem, wenn die europäische Integration die Zielsetzung bleibt. Der bilaterale Weg und die Zukunft des Bilateralen Weges ist trotz aller Zögerlichkeit unserer Regierung ein Kurs für eine stärkere europäische Integration. Die EU-Skeptiker hingegen wollen diesen Weg zerstören.
Zweitens kann Europapolitik nicht mit Ausnahmen und einem technischen Fragen- und Antwortspiel gemacht werden. Es ist offensichtlich – der bisherige Weg der schweizerischen Europapolitik hat sich in den letzten zehn Jahren verrannt, festgebissen. Technische Fragen werden vorwärts und rückwärts diskutiert, während unsere Nachbarn in der europäischen Integration voranschreiten. Für die Schweiz heisst das, unsere Zielsetzung muss neu justiert werden: Wir sollten uns aktiv auf die Möglichkeiten der Mitwirkung in der Europäischen Integration einstellen und nicht immer im Abwehrmodus bleiben. Der Abwehrmodus ist Sache der Isolationisten. Die pro-europäische Allianz steht für mehr Integration und die gemeinsame Lösungssuche mit den europäischen Staaten.
Drittens muss das Vertragswerk zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union rechtssicher sein. Also planbar, vorausschauend, beständig. Auch wenn die Schweiz auf dem sektoriellen Pfad der Binnenmarktintegration bleibt, muss doch diese bescheidene Möglichkeit rechtssicher ausgestaltet werden. Das bedingt, dass man neue Verträge abschliesst, welche institutionelle Fragestellungen klären. Ob das in einem Vertrag oder in mehreren Verträgen geschieht, ist europapolitisch weniger wichtig. Gleichzeitig muss unsere Mitwirkung und Assoziierung in den EU-Porgrammen für Forschung, Bildung und Kultur ermöglicht werden.
Diese drei Punkte müssen uns leiten und mit diesen drei Punkten kann eine Verfassungsbestimmung unser nationale Bestimmung mitten in Europa festigen. Darum schlage ich mit Nationalratskollege Fischer vor, die schweizerische Bundesverfassung mit einem Grundsatzartikel zu ergänzen. Dahinter könnte sich eine neue starke und breite Europäische Allianz bilden:
Die Bundesverfassung würde würde wie folgt geändert:
Art. 54a Europäische Integration
1 Der Bund beteiligt sich aktiv am Prozess der europäischen Integration.
2 Er schliesst einen oder mehrere völkerrechtliche Verträge mit der Europäischen Union ab, welche die rechtssichere Integration der Schweiz in den europäischen Binnenmarkt und die Mitwirkung der Schweiz in weiteren Bereichen der europäischen Zusammenarbeit ermöglichen.
Mehr braucht es nicht. Aber diese Zielsetzung braucht es. Die Schweiz ist mitten in Europa.