Der Bundesrat spielt Europa-Theater

Der Bundesrat spielt Europa-Theater 150 150 Eric Nussbaumer
Bildnachweis: Schweizerische Bundeskanzlei

Letzthin bin ich in einer Sitzung «explodiert», als gesagt wurde, letztes Jahre habe ja das Parlament das Rahmenabkommen mit der Europäischen Union versenkt. Ein Jahr nach dem alleinigen und einsamen Entscheid des Bundesrats wird an der Geschichte geschraubt. Es darf nicht sein, dass diese heute unbefriedigende Situation in der Beziehung mit der EU allein auf den Schultern des Bundesrates lastet. Natürlich haben damals alle möglichen Akteure sich geäussert; alle glaubten mit roten Linien gegen die Personenfreizügigkeit müsse noch einmal eine Lanze für die «souveräne» Schweiz gebrochen werden. Aber entschieden hat nur der Bundesrat. Ganz alleine – ganz falsch. Ein Jahr nach dem bundesrätlichen Entscheid, hat unser Land nichts gewonnen, aber viel verloren. Es läuft ein Europa-Theater ohne Ende.

Vertrauen schaffen mit verbindlichem Angebot
Heute fehlt es in der Beziehung zu den EU-Mitgliedstaaten an Vertrauen. Unser Bundesrat schafft es aktuell nicht, dies wieder herzustellen. Niemand weiss heute, was der Bundesrat bis wann erreichen will. Das Dossier dümpelt vor sich hin.

Drei Dinge sind aber klarer denn je: Wenn wir in der europäischen Forschungszusammenarbeit wieder vorne mitspielen wollen, brauchen wir rasch und verbindlich die Assoziierung am europäischen Forschungsprogramm. Die Uni Basel schrieb in ihrem jüngsten Jahresbericht: «Die Assoziierung der Schweiz am EU-Programm Horizon Europe ist für die Universität Basel nach wie vor essenziell und alternativlos.“ Der Bundesrat kommt aber leider nicht über das Bitten und Flehen hinaus. Er weiss auch nicht was zweitens wichtig wäre: Es braucht endlich ein klares und verbindliches Angebot für eine regelmässige Leistung unseres Landes zur europäischen Kohäsionspolitik. Das ist nicht so kompliziert. Man kann den Betrag ausrechnen. Aber der Bundesrat kann auch diese Rechnung nicht und darum traut ihm in den europäischen Metropolen niemand mehr. Die Europäer fordern darum jetzt eine «rechtliche Verpflichtung» von Seiten der Schweiz zur regelmässigen Beteiligung an den Kohäsionsprogrammen der EU– so viel Souveränität haben wir in einem Jahr gewonnen! Man kommt anscheinend aus dieser Schlinge, die man selber geformt hat, nicht mehr raus.
Drittens bräuchte es vom Bundesrat endlich Aufrichtigkeit und deutliche Willensbekundungen in den bekannten institutionellen Fragen. Aber statt Klarheit, spielt der Bundesrat mit der anderen Vertragspartei. Man müsse zuerst sondieren. Ob man je verhandeln wolle, wisse man noch nicht. Wann der Bundesrat ein Verhandlungsmandat formuliert ist nicht bekannt. Man lässt alle Staaten, auch die Nachbarstaaten im Dunkeln.

Parlamentarisches Handeln ist gefragt
Mich interessiert in dieser Situation vor allem, ob das Parlament gegen diese bundesrätliche Ideen- und Konzeptlosigkeit antritt? Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates fordert in einer Motion den Bundesrat auf, einen Vorschlag für eine Verhandlung mit diesen obigen drei Punkten vorzubereiten. Am kommenden Montag 13. Juni 2022 wird im Nationalrat entschieden. Es wird sich zeigen, ob das Parlament das ewige Europatheater auch mitspielt, oder ob es dem bundesrätlichen Spuk nach einem Jahr mit einer dreifachen Willensbekundung ein Ende setzt. Es wäre höchste Zeit! Denn das blockierte Dossier wirft unser Land, unsere Wirtschaft und unsere Forschungseinrichtungen jede Woche mehr und mehr zurück.