Der Bundesrat hat am 26. Mai 2021 eine gravierende Entscheidung gefällt, in dem er die Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen einseitig für beendet erklärt hat. Er hat damit auch gezeigt, dass er (noch einmal versucht) wirklich eine europapolitische Extrawurst anzustreben.
Das wird schwierig und es schadet den arbeitenden Menschen im eigenen Land. In der Schweiz zu produzieren wird teurer, einheimische Produkte zu exportieren wird anspruchsvoller. Am Schluss des Tages wird jede exportorientierte Firma entscheiden, ob es Sinn macht, hier weiter zu investieren. Und die teureren Importe machen aus der Schweiz eine immerwährende Hochpreisinsel. Darum habe ich immer gesagt und ich bleibe dabei – eine Schweiz ohne institutionelle Bindung mit den europäischen Nachbarn ist ein Entscheid gegen die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, gegen die Konsumentinnen und Konsumenten und schlussendlich auch auch gegen die international und auf europäische Wertschöpfungsketten ausgerichteten Arbeitsplätze.
Schadenbegrenzung als ewige Europapolitik
Bereits einmal war die Schweiz in dieser Situation, dass sie einen europapolitischen Schaden korrigieren musste. Das war 1992 nach dem EWR-Nein. Der Binnenmarkt trat trotz dem Nein aus Helvetien in Kraft und nach wenigen Jahren sah man ein, dass es ohne sektoriellen Zugang zum EU-Binnenmarkt keine gute wirtschaftliche Perspektive geben würde. Die Bilateralen Verträge waren „Europapolitik der Schadensbegrenzung“. Nun hat der Bundesrat bereits am Tag des Verhandlungsabbruchs zum Institutionellen Abkommen (InstA) von der Schadensbegrenzung gesprochen. Man werde nun, das Schweizer Recht dem europäischen Recht angleichen – damit der Schaden begrenzt werden könne. In anderen Worten: Wir übernehmen das Recht, aber wir wollen uns nicht binden. Die ewige Europapolitik der Schadensbegrenzung tritt in eine weitere Phase.
Assoziierung zum Europäischen Projekt – sonst wird das nichts
Das Interessanteste am Handeln des Bundesrates zum Abbruch war sein «Schlussbericht» zu den letzten sieben Jahren Verhandlung. Er hat dabei den wichtigen Satz eingefügt. «Die Konturen eines solchen «Rahmenabkommens», das manchmal auch als «Assoziierungsabkommen» bezeichnet wurde, waren zu Beginn unklar». So ist es. Wir haben in all den Jahren nie über das gesprochen, worum es in der europäischen Zusammenarbeit geht: Es geht um Assoziierung, um Teilhabe am gemeinsamen Projekt von europäischen Staaten. Wenn die Schweiz nicht Mitglied dieses europäischen Projektes werden will, dann muss sie sich entscheiden, wie sie sich an diesem Projekt assoziieren will. Abseits stehen ohne Assoziierungsregelung wird es nicht geben. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder assoziiert man sich weiterhin sektoriell, wie wir das bereits bei den Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen gemacht haben. Das Rahmenabkommen wäre ein weiteres Assoziierungsabkommen für einzelne sektorielle Marktzugänge zum Binnenmarkt gewesen. Andere Länder haben aber auch gute Erfahrungen gemacht, in dem sie den Marktzugang mit dem umfassenden Assoziierungsvertrag zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) jenseits von sektoriellen Einschränkungen geregelt haben.
Darum bleibt nach dem Abbruch der Verhandlungen wenigstens die minimale Ehrlichkeit. Die Schweiz muss sich entscheiden, wie sie sich zum europäischen Projekt stellen will: EU-Mitgliedschaft oder weitere Assoziierungsabkommen, neben Schengen, Dublin und dem Luftverkehr eben auch für den übrigen Marktzugang. Dafür gib es auch zukünftig nur ein «Assoziierungsabkommen für den sektoriellen Marktzugang» oder die «EWR-Asssozierung für den gesamten Marktzugang». Das Konzept Schadensbegrenzung mit Auffangmassnahmen des Bundesrates hat leider kein Element der Zukunftsfähigkeit. Diese kurzfritsige Perspektive ohne ernsthafte Optionen für die zukünftige Assoziierung schadet der Schweiz.