Halbpatzige Strommarktdebatte geht in die nächste Runde

Halbpatzige Strommarktdebatte geht in die nächste Runde 1080 1080 Eric Nussbaumer

Seit Jahren werkelt die Schweiz an ihrem Strommarktdesign. Während ganz Europa ein nun schon seit Jahrzehnten wettbewerbliches Strommarktdesign kennt, bleiben die Eidgenossen auf halbem Weg stecken. Teilmarktöffnung ist das Zauberwort. In der Schweiz stehen alle Stromerzeuger im Wettbewerb zueinander, auf der Kundenseite ist das aber nicht so. Nur die grossen Stromkunden dürfen ihre Konsumentenmacht einsetzen und ihren Stromlieferanten frei wählen. Die kleinen Stromkunden müssen seit Jahren warten und weiterhin bei den über 650 Energieversorgungsunternehmen von Gemeinden und Städten ihren Strom zu regulierten Preisen beziehen.

Wettbewerb gilt nur bei der Förderung von Erneuerbarer Energie
Die jüngste Blüte des absurden Schweizer Marktdesign findet sich in der Debatte um die zukünftigen Finanzierungs- und Preisstützungssysteme für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Während früher administrierte Einspeisetarife auf kantonaler und nationaler Ebene den Zubau von neuen Ergeugungskapazitäten wie Solar- und Biomasskraftwerke ermöglichten, hat seit einigen Jahren der Wettbewerb als wichtigstes Instrument für eine gelingende Förderung Einzug gehalten. Wenn heute jemand dezentral Strom in einem grossen Solarkraftwerk produziert und ins Netz einspeisen will, dann richtet sich die Vergütung nach dem marktorientierten Referenzpreis. Das neue Kraftweerk muss preislich also mit dem wettbewerblichen Strombörsenpreis mithalten. Der administrierte kostendeckende Einspeisetarif wurde abgeschafft. Für die Förderung ist anscheinend die wettbewerbliche Preisbildung in Ordnung, für den Strombezug soll das aber für den gleichen Konsumenten (der ja eigentlich Produzent und Konsument ist) ganz schlecht sein. Die Entwicklung wird in wenigen Wochen noch absurder.

Marktnähere Förderung heisst Ausschreibung und Wettbewerb
Das UVEK plant nämlich die nächste Regulierungswelle für verlässliche Förderungsmechanismen, damit in der Schweiz endlich der Solarboom einsetzen kann. Das Energiegesetz schreibt vor, dass diese nächste Energiegesetzanpassung ein «marktnäheres» Fördermodell bringen soll. Marktnah heisst also bei der Förderung mehr Wettbewerb. Und so wird es auch kommen: Für grosse Anlagen soll die Preisstützung der neuen Kraftwerke in einer wettbewerblichen Ausschreibung ermittelt werden. Wer im Wettbewerb gewinnt, soll verlässliche Refinanzierungsmechanismen für sein Kraftwerk erhalten. Erstaunlich ist, dass diese wettbewerblichen Förderausschreibungen von links bis rechts (und auch europarechtlich) gefordert werden. Noch erstaunlicher ist, dass aber sonst viele Energiepolitikerinnen und Energiepolitiker von links bis rechts nichts vom schweizerischen Stromwettbewerb halten. 

Wennschon dennschon – Stromwettbewerb nicht nur bei der Förderung
Mit etwas Distanz betrachtet ist diese Situation absurd. Wenn der Wettbewerb und die Marktnähe gute Resultate bei den Preisstützungssystemen hervorbringt, dann muss das wohl auch für den Strommarkt auf der Nachfrageseite gelten. Wenn die Erzeugung einer neuen Kilowattstunde am besten mit Ausschreibungen und Preiswettbewerb gefördert werden, dann gilt das wohl auch für alle Kilowattstunden. Oder sonst ist alles nicht zu Ende gedacht. Ich weiss, «Schweizer Strom braucht Wettbewerb» ist nicht nur eine Binnenmarktforderung (sonst wird es nie ein Stromabkommen geben), es ist auch die Erkenntnis aus der nun laufenden Förderdiskussion. Wennschon dennschon ist eigentlich die richtige Antwort, die im UVEK jetzt reifen muss. Es kann nicht sein, dass Preiswettbewerb und Marktintegration das Credo bei der Förderung sind, während der Strommarkt weiterhin den Prosumern keinen Spielraum für innovative Geschäfstmodelle mit Quartierstromlösungen und Regionalstromvermarktungs-Plattformen für alle Endkunden eröffnet.