Geteilte Souveränität und gemeinsames Handeln zeichnen unsere Schweiz aus

Geteilte Souveränität und gemeinsames Handeln zeichnen unsere Schweiz aus 5233 3489 Eric Nussbaumer

Rede von NR Eric Nussbaumer zum 1. August 2019 in Zwingen BL

Ich freue mich, dass wir den 1. August feiern. Wohlwissend: Die Bundesfeier ist für Politiker immer ein bisschen eine Gratwanderung. Soll ich genau meine Vorstellung von der Schweiz und unserem Gemeinwesen darlegen? Oder soll ich einfach freudig unser Gemeinwesen feiern ohne viel Politik? Oder hat es auch mitten im Feiern noch einen Platz für eine kritische Selbstreflektion. Wo stehen wir, wohin gehen wir? Für mich ist der Nationalfeiertag der Tag, an dem wir über unsere Geschichte, unsere Identität und unser Zusammenleben in unserem Dorf, in der Eidgenossenschaft – und auch in Europa – nachdenken.

 Die Erinnerung, die Reflektion über das Vergangene ist ein wichtiger Teil des 1. Augustes. Aber nur in begeisterter Nostalgie schwelgen hilft selten für die Herausforderungen, denen wir uns in der Welt von heute stellen müssen. Darum suche ich an 1. Augustreden Bezugspunkte in der Vergangenheit, Bezugspunkte aber, die uns auch in die Zukunft leiten können. In der Zwingener Geschichte und in ihren politischen Fragen habe ich drei Punkte gefunden die ich gerne im Rahmen dieser Bundesfeier beleuchte.

I. Das Zwingener Schloss steht auf Felsengrund

Sie haben ein Schloss, das lange auch als Fremdherrschaftssymbol in Ihrer Gemeinde stand. Das ist ein Teil ihrer Dorfgeschichte. Von Fremdherrschaft bleiben meistens nicht nur gute Erinnerungen. Man könnte das Schloss darum ablehnen, nicht als Teil der eigenen Dorf-Identität betrachten. Das hilft aber kaum weiter. Um die Zukunft zu meistern, kann man auch von den Bauherren des Schlosses lernen. Sie haben das Schloss inmitten eines Wasserlaufes, aber auf Felseninseln gebaut. Sie haben die natürlich Gegebenheit so angenommen wie sie waren und daraus das Beste gemacht. Hätten sie diese Felsen nicht genutzt, sie hätten jahrelang nach einem besseren Schossstandort und einem vielleicht doch noch verlässlicheren Baugrund gesucht – und vielleicht hätten die Ramsteiner nie einen gefunden. Manchmal ist es gut, wenn man auf das baut, was da ist und nicht einfach immer nach dem grössten Ideal sucht. Ich erlebe das in der Politik immer wieder: Wir kommen in letzter Zeit nicht mehr weiter, weil wir immer noch eine bessere Lösung erträumen oder erdenken oder weil einige sagen, bei dieser Lösungsidee mache ich nie und nimmer mit. Wir beginnen also quasi nie mit dem Schlossbau und verschmähen – aus lauter Suche nach dem vermeintlich Besseren – den bereits vorhandenen Baugrund. Die Schlossbauer von damals haben sich auf die Felseninseln inmitten der Birs geeinigt und darum steht das Schloss heute noch. Darum die Frage: Was ist der gute Felsengrund für die vielen politischen Fragen um Rentenreform, Steuerreform oder Klimaschutz? Was ist der verlässliche Felsengrund für eine soziale, ökologische und wirtschaftlich faire Entwicklung in Zwingen, im Laufental, in unserem Kanton, in der Schweiz?

II. Vernetzung und Solidarität heisst der gute Felsengrund für unser Gemeinwesen

In Liestal hatten wir vor ein paar Wochen Trinkwasserprobleme. Plötzlich war unser Wasser nicht mehr geniessbar, es musste abgekocht werden. Das ist schlecht für eine Gemeinde, denn Trinkwasser ist das Symbol der funktionierenden Schweiz. Überall bekommen wir Trinkwasser zu sehr tiefen Kosten. Warum ist das so? Weil wir uns früh für die solidarische und vernetzte Wasserversorgung entschieden haben. Das sollten wir uns am 1. August immer wieder in Erinnerung rufen. Vieles und viel Gutes in unserem Land funktioneirt, weil wir es miteinander machen. Die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit bei der Wasserversorgung ist auch hier bei Ihnen ein Zweckverband. Der Zweck ist, dass wir uns bei der Wasserversorgung helfen, gegenseitig unterstützen. Nur miteinander kann man etwas erreichen, das dann auch lange währt. Wenn jede Gemeinde bei der Wasserversorgung nur für sich schaut, dann kann es sein, dass man plötzlich ganz alleine und ohne Wasser dasteht. Der Hitze Sommer sollte daher nicht zu Einzelmassnahmen einzelner Städte oder einzelner Gemeinden führen, aber er kann uns daran erinnern, dass wir die zukünftigen Herausforderungen nur gemeinsam meistern können. Die beste Vernetzung ist der Felsen für ein gutes Gemeinwesen der Zukunft. Weil ich ja oft Energiepolitik mache, muss ich noch zwei Vernetzungspunkte anfügen. Der Energiebereich und der Verkehrsbereich. Viele Gemeinden praktizieren diese Vernetzung auch in der Bewirtschaftung des Waldes. Sie machen gemeinsame Energieanlagen, sie machen Holzwärmeverbunde. Was wir beim Trinkwasser seit Jahrzehnten machen, werden wir auch bei der Energienutzung lernen müssen. Denn das mit dem Oel und Gas aus fremden Ländern wird zu einem Ende kommen. Die Verkehrsvernetzung ist hier im Tal schon seit Jahren ein grosses Thema: Der Doppelspurausbau der Bahnlinie. Ich bin Im Ergolztal zuhause und endlich haben dort die Neubauarbeiten für den Bahnhof Liestal begonnen. Dass gleichzeitig im Laufental nun der Doppelspurausbau endlich in die Umsetzung kommt, ist auch eine Folge guter Vernetzung. Gerade bei Bahnprojekten in der Region muss man vernetzt denken. Nur, wenn wir vernetzt ans Werk gehen, werden wir eines Tages eine starke trinationale S-Bahn haben. Dafür müssen wir einstehen. Jedes Tal, jede Gemeinde wird profitieren, wenn wir auch beim Bahnausbau unsere ganze vernetzte Region betrachten. Die gewünschten S-Bahn-Halte in Gelterkinden, in Liestal, in Aesch oder in Zwingen bekommt man nicht alleine. Sondern nur wenn man sich gemeinsam für eine starke Lösung beim regionalen Verkehr einsetzt. Trinkwasser, Energie, öffentlicher Verkehr – immer geht es um das Gemeinsame, das wir miteinander erreichen können.

III. Geteilte Souveränität machte die Schweiz stark – das gleiche gilt für Europa

Gemeinsam sich füreinander einsetzen, das ist der Geist unserer 1. Augustfeier. Auch wenn wir heute hier in der Schlossanlage feiern, so wissen wir, dass das eben gerade nicht Ausdruck der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist. Ausdruck der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist eine Wiese, keine Schlossanlage. Es geht in der Eidgenossenschaft nicht um mächtige Bauten, um Wehranlagen und um Herrschaftssymbole. Es geht in der Schweizerischen Eidgenossenschaft um das Gemeinsame, das man auf einer Wiese – auf der Rütli-Wiese – abmachen konnte: Wir helfen einander, wir schauen einander, jedes Tal hilft dem anderen Tal. Natürlich kann man die Legende vom Rütli-Schwur auch anders lesen: Wir schwören uns ein gegen die Tyrannei, wir wehren uns gegen die Herren. Ich finde, zu viele lesen die Geschichte nur noch so. Aber entscheidend war nicht das Zusammenstehen wegen der Tyrannenangst, entscheidend war die Erkenntnis zur gemeinsamen Zukunftsbewältigung: Lasst uns zusammenstehen, lasst uns einen Weg gehen, wo wir uns gegenseitig unterstützen. In dem Sinne war der Rütlischwur auch der Entscheid für die geteilte Souveränität innerhalb Eidgenossenschaft.

Wenn man in Bern politisiert dann lernt man den Artikel 3 unserer Bundesverfassung erst richtig verstehen: „Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.“. Unser Land ist ein Land der geteilten Souveränität oder der gemeinsamen Souveränität. Nicht die Schweiz hat die Souveränität sondern die Kantone haben sie. Aber die Kantone waren weise genug, zu erkennen, dass man gewisse Dinge auch besser der nächst höheren Staatsebene überträgt: Denn dann kann man gemeinsam mehr erreichen. Die geteilte Souveränität zwischen Liestal und Bern hat unser Land stark gemacht. Nicht dieses „die Schweiz ist eigenständig, sie soll alleine alle Fragen der Zeit meistern“ hat uns stark gemacht. Es ist gerade umgekehrt. Auf dem Rütli haben wir uns zum gemeinsamen Handeln, zum gegenseitigen Unterstützen entschieden. Das macht unser Gemeinwesen aus. Bei der Trinkwasserversorgung und vielen anderen Gemeindeaufgaben haben wir uns für gemeinsamen Handlungsstrategien entschieden, weil das im Interesse von uns allen ist. In der Eidgenossenschaft stehen wir für die Souveränität der Kantone ein, wohlwissend, dass wir miteinander viele Fragen gemeinsam lösen müssen. Und: Sie werden zum Schluss dieser Rede nicht verwundert sein, wenn ich Ihnen sage. Das gleiche gilt für unseren Kontinent für unser Europa. Wenn wir das Gemeinsame entwickeln und den Gedanken der geteilten Souveränität auch in Europa praktizieren, dann wird es den europäischen Ländern, den Regionen und den Menschen in allen Gemeinden gut gehen. Lasst uns zusammenstehen und zusammen wirken in der Gemeinde, im Kanton, im Bund und auch mit den anderen Ländern Europas. Gemeinsam schaffen wir die Zukunft. Das ist der 1. August. Ich wünsche Ihnen allen noch eine schöne Bundesfeier.