Radio-Eriwan-Regel – wieso eigentlich nicht?

Radio-Eriwan-Regel – wieso eigentlich nicht? 150 150 Eric Nussbaumer

Die CVP liefert momentan fast im Tagesrhythmus neue Ideen für ein gelingendes Rahmenabkommen mit der EU. Das gefällt mir, denn ich muss für mich immer wieder klären, was meine Partei eigentlich will. Auf den jüngsten Vorschlag von Gerhard Pfister einer sogenannten Radio-Eriwan-Regel fragt denn auch mein Nationalratskollege Cedric Wermuth offen und ehrlich „Wieso eigentlich nicht?“ Hie ein kurzer Versuch , dies zu beantworten.

Radio-Eriwan-Regel untergräbt die Rechtshomogenität im europäischen Binnenmarkt
Pfister will – wenn ich ihn richtig verstanden habe – zwar ein Rahmenabkommen. Aber wenn im Rahmen einer dynamischen Rechts-Nachführung dann in einer Volksabstimmung etwas vertraglich Abgemachtes nicht beschlossen würde, dann kommt die Radio-Eriwan-Regel zum Tragen, die da heisst: Im Prinzip wäre die Schweiz vertraglich verpflichtet, die dynamische Rechtsübernahme zu vollziehen, weil sie es aber nicht tut, müssten Sanktionsschritte eingeleitet werden. Pfister aber will keine Sanktionsschritte, er will die Würdigung des Prinzips und der Ausnahme. Denn im Prinzip wäre eine dynamische Rechtsnachführung richtig, aber diese oder jene vertraglich geregelte Frage ist nicht entscheidend, als dass man sie in der Schweiz nicht auch anders praktizieren könnte als im europ. Binnenmarkt. Die Radio-Eriwan Regel ist die Regel gegen die Rechtshomgenität im Europäischen Binnenmarkt. Mag sein, dass es tatsächlich unbedeutende Nachführungen gibt, die nur im Prinzip angewendet werden müssten. Aber wo wird die Grenze gezogen? Wer entscheidet dann über die prinzipiell wichtigen und unwichtigen gesetzlichen Nachführungen. Ich kann es drehen wie ich will, auf lange Frist untergräbt die Radio-Eriwan- Regel die Rechtshomgenität  aufs Neue und es stellt sich die Frage, was denn ein Rahmenabkommen mit unzähligen Radio-Eriwan-Ausnahmen im Hinblick auf mehr Rechtssicherheit zwischen der Schweiz und der EU bringen würde.

Die Körbe für Rahmenabkommen und Aequivalenz festlegen
Was mir fehlt, ist die strategische Gliederung zwischen Rahmenabkommen und Aequivalenz. Eigentlich müsste die Schweiz von sich aus festlegen, in welchen Bereichen sie ihr Verhältnis mit dem Binnenmarkt mit einem verlässlichen Abkommen (einem Vertrag!)  regeln will, und wo sie auf die Aequivalenzstrategie setzt. Denn dann könnte sehr viel mit der Radio-Eriwan-Regel gemeistert werden. Es stellen sich für uns nämlich drei Fragen:

  1. Welche Binnenmarkt-Segmente möchten wir wegen dem angestrebten (erleichterten) Marktzugangs in einem Rahmenabkommen Schweiz-EU regeln? Hier wären wir interessiret, die Rechtssicherheit hochzuhalten. Heute redet man von fünf Marktzugangsabkommen. Hier sollten CVP, FDP und SP rasch strategsiche Klarheit herstellen. Bei diesen Abkommen sollten wir keine Radio-Eriwan-Regel etablieren.
  2. Welche Binnenmarkt-Segmente möchten wir nicht vertraglich-dynamisch regeln, sondern streben wir als Drittsaat nur eine Aequivalenz-Anerkennung durch die EU an. Die Schweiz könnte hier immer wieder eine eriwansche Ausnahme beschliessen – immer mit dem Risiko, die Aequivalenzerklärung zu verlieren.
  3. Und dann ist letztlich festzulegen, welche Bereiche wir weder in die dynamische Rechtsübernahme noch in die Aequivalenz führen möchten. Das wäre heute sicher Unionsbürgerschafts-Richtlinie oder all die vielen Kooperationsabkommen. Das alles muss weder von einer dynamischen Rechtsnachführung noch von einer Aequivalenzanerkennung getrieben sein.

Wieso eigentlich nicht, fragte Wermuth. Ich würde sagen, man kann der Radio-Eriwan-Regel zu 100% folgen, wenn man für alle binnenmarktrelevanten Segmente „nur“ die Aequivalenzanerkennung anstrebt. Dies wiederum erscheint mir aber ein sehr grosser Rückschritt in der europäischen Integrationspolitik unseres Landes und bringt unserem Standort und unseren Arbeitsplätzen nicht mehr Rechtssicherheit, sondern die permanente Gefahr, nicht mehr als binnenmarktkompatibler Standort zu gelten. Schlecht für Arbeitnehmende in der Schweiz – die Jobs sind auf lange Sicht sicher nicht mehr bei uns. DArum plädiere ich eher für eine klare Strategie,w elche Abkommen tatsächlich in ein Rahmen gehören, weil sie für uns eben auch entscheidend sind.