Warum das Verhältnis Schweiz-EU keinen Abschalt-Knopf hat

Warum das Verhältnis Schweiz-EU keinen Abschalt-Knopf hat Eric Nussbaumer

Der neue Aussenminister Cassis hat sich in seiner Bundesratswahlkampagne verzockt. Er glaubte, mit einem süffigen Spruch die Stimmen der SVP sichern zu müssen. Er versprach nämlich, dass er im EU-Dossier den Reset-Button suchen werde und ihn dann auch drücken werde. Tönt richtig gut. Der exekutive Powerschalter. Die SVP hat diese vereinfachende Sprache verstanden und meldet jetzt schon an, dass Aussenminister Cassis daran gemessen werde, ob der den „Knopf“ drücke. Die SVP meint damit den Knopf zur Abschaltung der Personenfreizügigkeit.

Lassen wir Bundesrat Cassis mal 100 Tage arbeiten. Aber dann ist mein Rat an Bundesrat Cassis mehr als klar: „Sagen Sie bei der 100-Tage Pressekonferenz sofort, dass sie den Reset-Knopf gedrückt haben, aber das System „Verhältnis Schweiz-EU“ sei wieder gleich aufgestartet. Reset heisst nämlich nicht Abschaltknopf. Schon gar nicht PFZ-Abschaltknopf. Ich habe den persönlichen Cassis-Reset-Knopf gedrückt. Nun ist alles wieder geordnet da. Ich, Bundesrat Cassis (nicht mehr Wahlkämpfer Cassis) sehe nun klar.“

Was können Bundesräte zurücksetzen?
Zurücksetzen und neu starten kann Bundesrat Cassis nämlich nur die bisherige miserable Kommunikation zum Rahmenabkommen des Bundesrates. Aber der sektorielle, bilaterale Weg der Schweiz im Verhältnis zur EU kann man nicht reseten und auch nicht abschalten. (Ausser wenn man in die EU oder in den EWR will – oder wenn man im Sinne einer Wahnsinnsstrategie nur noch WTO Recht anwenden möchte.) Wenn man aber den Bilateralen Weg will – und so tönt es ja immer wieder aus der FDP – dann kann man ihn nur weiterentwickeln.

Weiterentwicklung gelingt mit besserer Kommunikation
Herr Cassis, ich bin so frech: So würde ich die Weiterentwicklung des Bilateralen Weges kommunizieren. Aber machen sie was sie wollen. Erinnern sie sich nach 100 Tagen einfach an meinen Wunsch: Keine zu einfachen Sprüche mehr.

  1. Der Bilaterale Weg ist ein guter Weg, der im Verhältnis mit der EU nur der Schweiz offen steht. Wenn wir ihn behalten wollen, dann müssen wir ihn zusammen mit der EU weiterentwickeln. Die Weiterentwicklung dieses Weges ist eine zentrale Aufgabe des Aussenministers und des Bundesrates.
  2. Ich bin Regierungsmitglied in einem europäischen Land. Unsere wichtigsten Handelspartner sind EU-Länder, unser wichtigster Kooperationspartner in unzähligen Politikfeldern ist die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Alles andere ist eine Verkennung der realen Situation.
  3. Die politische Weichenstellung heisst darum „Solide Partnerschaft mit der Europäischen Union – ja oder nein?“. Darum geht es. Der Bundesrat nannte diese Weichenstellung immer wieder anders: Rahmenabkommen, Institutionelles Abkommen oder gar Konsolidierungsabkommen. Eine geglückte Namensgebung ist es nicht. Alle diese Worte sind vergiftet. Aber nur die Worte, nicht der Weg.
  4. Ich will jetzt deutlich machen, worum es beim Weg geht: Es geht um die verbindliche Partnerschaft zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedsstaaten für wichtige sektorielle Partnerschaften und Kooperationsfelder. Da kann man nichts hinausbrechen, auch nicht die Personenfreizügigkeit. Die SVP irrt, wenn sie die PFZ kündigen will. Das zerstört den Bilateralen Weg.
  5. Als nächstes stehen neue Marktzugangsabkommen in der Energie (Energiebinnenmarkt), im Bereich Media/Kultur (CreativeEurope) und ein übergeordnetes Vertragswerk für die Zukunft des erleichterten Zugang zum Binnenmarkt an. Und 2021 will ich für Jugendliche wieder am Kooperationsprogramm Erasmus+ mitmachen. Kurz, wir bauen das Paket Bilaterale III. ich bin der Bundesrat der Bilateralen III.
  6. Ich werde rasch dieses Paket Bilaterale III zwischen der Schweiz und der EU bauen – ich drücke keinen Neustartknopf, wenn schon dann eher Turbo-Overdrive. Damit wieder Rechtssicherheit und Zukunftsfähigkeit entsteht.