Strommarktdesign für die Schweiz – endlich ehrlich europäisch!

Strommarktdesign für die Schweiz – endlich ehrlich europäisch! 150 150 Eric Nussbaumer

Wie der Strommarkt organisiert ist, wird politisch festgelegt. In allen europäischen Ländern besteht ein wettbewerblicher Strommarkt, die Marktgebiete koppeln sich in Richtung eines europäischen Strommarktes immer mehr zusammen. Die Schweiz hingegen tut sich mit dieser Entwicklung noch schwer. Inzwischen stehen in unserem Land konfuse Konzepte zur Diskussion und man weiss nicht mehr, ob man sich europäisch integrieren will und wie man die Wasserkraft stärken und fördern soll. Die jüngsten Ideen des Ständerates schwächen zudem unsere einmalige Positionierung als Stromdrehscheibe Europas noch mehr und zementieren die Gewinnmargen der Strombarone. Die Schweiz braucht eine Klärung des Marktdesigns.

Was ist ein wettbewerblicher Strommarkt?

Die Konsumenten sind nicht an einen Lieferanten gebunden, ebenso können die Produzenten ihren Strom an beliebige Endverbraucher oder Händler verkaufen. Dazwischen liegt das Netz als natürliches Monopol und darf von allen gegen ein Entgelt genutzt werden. Die Schweiz hat seit 2008 einen teilweisen wettbewerblichen Strommarkt. Die kleinen Konsumenten bis 100 MWh Jahresverbrauch dürfen ihren Lieferanten dabei nicht frei wählen. Aber ihr Lieferant – der lokale Endverteiler – muss erreichte Preisvorteile im wettbewerblichen Stromeinkauf an diese „gefangenen“ Endkunden weitergeben. Es besteht auch die gesetzliche Verpflichtung, dass der Schweizer Strommarkt seit 2013 für alle Endverbraucher wettbewerblich gestaltet sein müsste. Der Bundesrat will das aber noch nicht umsetzen.

Strommarktdesign jetzt festlegen und Grundversorgung sichern

Die wettbewerbliche Ausgestaltung ist daher wichtig, weil Strom europaweit gehandelt werden kann. Dieser Handel von Strom hat eigentlich die Schweiz miterfunden, wir machten die Pionierarbeit. Im Moment arbeiten wir eher daran, unsere Position zu schwächen, weil wir nicht die gleichen politischen Rahmenbedingungen wie die umliegenden Länder haben. Wir werden zur abgeschotteten Preiszone. Der Stromhandel aus der Schweiz heraus wird erschwert, statt erleichtert. Das alles beginnt damit, dass wir noch kein klares Konzept für die Grundversorgung haben. Denn innenpolitisch ist das der alte Streitpunkt. Wie werden Haushalte in einem wettbewerblichen Strommarkt fair und sicher versorgt. Ich meine, die schweizerische Grundversorgung muss mit erneuerbaren Energien aus der Schweiz erfolgen. Alles andere wäre eine seltsame Wettbewerbsordnung ohne Nachhaltigkeitsdimension. Wer nicht europaweit beschaffen will, bekommt sicher und zuverlässig immer sauberen Schweizer Strom. Damit schlagen wir zwei Fliegen auf einen Schlag: Die Schweizer Wasserkraft wird gestärkt und die Kleinkonsumenten haben eine faire, sichere und umweltfreundliche Grundversorgung. Wer die Schweiz weiterhin abschotten will und sich gegen eine wettbewerbliche Strommarktordnung stellt, schadet langfristig unserer Elektrizitätswirtschaft.

Im Strommarkt die Schweizer Wasserkraft stärken

Das Marktdesign beginnt also mit einer umweltverträglichen, wirtschaftlichen und sicheren Lösung bei der Grundversorgung, kombiniert mit einem möglichen Marktzugang für alle Stromproduzenten und –konsumenten. Dann bleibt noch eine offene Frage: Kann die Schweizer Wasserkraft bei den aktuell tiefen europäischen Strompreisen überhaupt konkurrenzfähig bestehen? Einige Kraftwerke können das, andere nicht. Die SVP – unterstützt vom Verband Schweizerischer Elektrizitätswerke (sic!) – schlägt ein flächendeckendes Subventionierungsmodell vor. Das ist konfus und ohne Marktdesignbezug. Was es braucht, ist aber ein befristetes Förderinstrument für die Stärkung der Schweizer Wasserkraft im europäischen (leider nicht perfekten) Maktumfeld. Das einfachste ist auch hier ein marktbasiertes Instrument, nämlich sogenannte Differenzkontrakte (Contract for difference – CfD). Erzeugungsanlagen, die ihren Strom an der Börse nicht kostendeckend verkaufen können, können in einem Ausschreibeverfahren für eine Differenzprämie bewerben. Wenn der Grosshandelspreis an der Börse tiefer ist als der Gestehungspreis, dann bekommen sie die Differenzprämie von der staatlichen Stelle, übersteigt der Börsenpreis die Gestehungskosten, so muss der Erzeuger die Differenz zurückzahlen. Ein solches Instrument verletzt die europapolitischen Spielregeln der europaweiten Marktordnung nicht und kann sofort eingeführt werden.

Beenden wir die halbbatzigen und konfusen Lösungsansätze

Wenn wir diese drei Elemente umsetzen – Umweltverträgliche und günstige Grundversorgung, wettbewerblicher Ordnungsrahmen für alle Akteure bei Produktion/Nachfrage und befristete Differenzkontrakte für Wasserkraftanlagen – dann ist die Schweiz fit für den europäischen Strommarkt. Ein ratifizierbares Stromabkommen wäre kurzfristig möglich. Der Stromhandel könnte wieder zur alten Blüte auferstehen. Leider ist im Ständerat eine andere Richtung eingeschlagen worden. Wegen einem Bundesgerichtsurteil sollen die kleinen Konsumenten zukünftig nicht mehr von Preisvorteilen der wettbewerblichen Marktöffnung profitieren dürfen. Der Ständerat will die Haushalte und Verbraucher bis 100 MWh verpflichten, aus jedem noch so teuren Kraftwerk kaufen zu müssen. Die Teilmarktöffnung wird damit nach acht Jahren rückgängig gemacht. Statt kompatibel mit dem Umland, wird im Lichte einer neuen Abschottung eine wettbewerbliche Marktöffnung verunmöglicht. Das ist halbbatzig. Halbbatzige Lösungen sind für die Wirtschaft, insbesondere für den Grosshandel der Schweizer Stromwirtschaft und für die Konsumenten langfristig die schlechteste Lösung. Was wir regulieren, muss europakompatibel sein – machen wir endlich ein ehrliches und europäisches Marktdesign. Dann finden wir Schritt für Schritt zur neuen Energieversorgung und profitieren vom internationalen Marktanschluss.