Rede von Nationalrat Eric Nussbaumer am Parteitag vom 3. Dezember in Thun zum Positionspapier „Wirtschaftsdemokratie“
Es gilt das gesprochene Wort
Geschätzte Genossinnen und Genossen
Vielleicht ist es gut, wenn ihr wisst, dass die SP Baselland vor dem Coop im basellandschaftlichen Oberwil schon viele Jahre Wahlkampf- Standaktionen durchführt. Dabei kommt man nicht darum herum, dem Denkmal von Stefan Gschwind einen Besuch abzustatten. Stefan Gschwind war ein Genossenschaftspionier. Er gründete 1892 in Oberwil die lokale Produktions- und Konsumgenossenschaft. Aus dieser entstand später der ACV beider Basel und schliesslich die heutige Coop-Genossenschaft. War Gschwind ein Verfechter der Wirtschafsdemokratie oder war er ein Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft? Er war nichts von beidem. Aber er suchte nach Wegen, wie im damaligen gesellschaftlichen und ökonomsichen Umfeld die Lebensbedingungen für alle Bürgerinnen und Bürger verbessert werden konnten. Und was Gschwind machte, das sollten wir auch heute tun. Politisch und als Konsumenten stellt sich immer die gleiche Herausforderung: Wir müssen herausfinden, wie mitten im kapitalistischen System das Wirtschaften fairer, partizipativer, ökologischer und im Interesse aller Menschen und Familien aktiv gestaltet werden kann. Das ist ohne Zweifel ein wirstchaftsdemokratischer Prozess, der ein pragmatisches Vorgehen geradezu verlangt. Die theoretischen grossen Würfe, verändern das Leben im Hier und Heute kaum. Darum, habe ich in der Arbeitsgruppe Wirtschaftsdemokratie mitgewirkt. Ich habe in Biel im Sommer vor anderthalb Jahren die von der SP Schweiz initierte Tagung zur zukunftsfähigen Wirtschaftsweise angeregt, mitorganisiert und mitgestaltet.
Und wer mich kennt, weiss sehr wohl, ich habe in mir weiss Gott keine antiunternehmerische Ader. Das solidarische, das sozial-ökologische Unternehmertum bewegt mich persönlich, weil ich es vor Jahren in meiner beruflichen Tätigkeit entdecken durfte. Ich kenne die Kraft, mit fairem Unternehmertum die Welt zu gestalten. Ich durfte verschiedene Unternehmen und NPO’s leiten und aufbauen. Eine Bank, eine Sozialfirma, eine Bürgerbeteiligungsgesellschaft für Energieanlagen, eine Elektroinstallationsfirma. Ich habe Businesspläne erstellt, Businesspläne umgesetzt, Löhne bezahlt, Lehrlinge ausgebildet. Nein, ich bin sicher kein dirigistischer Typ, ich bin auch kein Planwirtschaftler. Gerade weil ich das alles gemacht habe, unterstütze ich, was in diesem Psoitionspapier steht. Ich stehe für die Weiterentwicklung einer fairen, einer ökologischen und sozialen Wirtschaftsweise – jenseits der der plakativen Begriffe wie Soziale Marktwirtschaft und Wirtschaftsdemokratie, die sowieso keine Gegensätze darstellen.
Dieses Positionspapier setzt richtig an. Es analysiert, wo wir heute stehen: Wir stehen im Zeitalter des entfesselten globalen Kapitalismus. Das ökonomische Ziel, die Profitmaximierung, steht ganz zuoberst. Das soziale Ziel steht hinten an, das ökologische Ziel gibt es noch gar nicht. Die UNO muss heute fast verzweifelt der Weltwirtschaftsgemeinschaft in Erinnerung rufen, dass es übergeordnete Nachhaltigkeitsziele gibt. Von Konzernverantwortung will niemand etwas wissen. Mit dieser Analyse fragt das Papier nach möglichen Handlungsoptionen, nach Verbesserungen für eine Wirtschaftsweise, die unsere Gesellschaft nicht noch mehr spaltet, die Arbeitnehmenden und die Umwelt nicht noch mehr zu Gunsten der Kapitalrendite ausbeutet. Und das Positionspapier zeigt, dass es schon viele Beispiele gibt, welche diese herrschende ökonomische Logik durchbrechen wollen. Wenn es sie gibt, dann schlägt das Papier vor, dann sollte man politisch versuchen, solche Ansätze politisch und im Interesse des Gemeinwohls zu stärken. Macht alles Sinn! Aber uups – dann hat einer Klassenkampf dazwischen gerufen und niemand hat das Papier mehr fertig gelesen.
Der Rückweisungsantrag will das Papier in Übereinstimmung bringen mit dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. In Übereinstimmung bringen – wie wenn dieses Konzept so klar und abschliessende umrissen wäre. Die Europäische Union hat im Lissaboner Vertrag auch abgemacht, dass sie die soziale Marktwirtschaft als Grundlage betrachtet. Ist darum alles schon gut, alles über zur Wirtschaftslogik schon gesagt? Natürlich nicht. Und genau darin zeigt sich ja die spannende Aufgabe, der wir uns in der Schweiz und in ganz Europa stellen müssen. Wie kann man das 60 Jahre alte Konzept der sozialen Marktwirtschaft renovieren, erneuern, ausbauen?
Zu dieser Frage liefern wir progressive, sowohl neue Konzepte (Economie sociale et solidaire und Social Entrepreneurship), aber auch bewährte Ideen (z.B. Genossenschaftsunternehmen) und Positionen. Wir wollen die soziale Marktwirtschaft zu einer sozial-ökologischen Wirtschaftsweise transformieren und weiterentwickeln Die Diskussion um die Wirtschaftsdemokratie verlangt eigentlich nichts anderes, als dass in einer zukunftsfähigen Wirtschaftsweise , auch die Ziele der sozialen Integration und Teilhabe (sprich Mitbestimmung) und der ökologischen Nachhaltigkeit berücksichtigt werden müssen.
Genossinnen und Genossen, diese Überlegungen passen in diese Zeit. Darum passt auch dieses SP -Positionspapier in diese Zeit. Ich bitte Euch darauf einzutreten – und vergesst Stefan Gschwind nicht: Er hat konkret das Wirtschaftssystem umgestaltet, mitgestaltet und auf gemeinwohlorientierte Wege gebracht. Das ist progressives, sozialdemokratisches Handeln und Politisieren.