Bilaterale erhalten – die fünf nächsten Schritte

Bilaterale erhalten – die fünf nächsten Schritte 150 150 Eric Nussbaumer

Die SVP tut nur so, als ob sie das Bilaterale Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU erhalten möchte. Denn wer auch nach zweieinhalb Jahren immer noch von Höchstzahlen und Kontingenten für die ArbeitnehmerInnen spricht, will das Freizügigkeitsabkommen (FZA) für Arbeitnehmende aus der Schweiz und der EU nicht erhalten. Die SVP will es zerstören. Eines ist klar: Wer dieses Abkommen nicht erhalten will, schadet schlussendlich dem Schweizer Wirtschaftsstandort und bedroht Tausende von Schweizer Arbeitsplätzen. Die vernünftigen Kräfte der Schweizer Politik müssen sich rasch auf fünf Punkt einigen, wenn sie wirklich den Bilateralen Weg erhalten möchten – dies gelingt nur ohne SVP.

1. Rasch eine einvernehmliche Ausführungsbestimmung zum FZA
Das FZA kennt bereits eine Schutzklausel. Das ist weder eine Höchstzahl noch ein Kontingent. Es ist aber das einvernehmliche Aushandeln von befristeten Massnahmen im Sinne von Artikel 14, Absatz 2 des bestehenden Abkommens. Die Schweiz und die EU müssen diesen toten Buchstaben bis Ende Jahr zu Leben erwecken. Dazu muss eine einvernehmliche Ausführungsbestimmung zwischen der EU und der Schweiz festgeschrieben werden. Wenn beide Seiten eine einvernehmliche Interpretation von Artikel 14.2 wollen, dann gibt es die Entschuldigung „keine Zeit, wir haben andere Probleme“ nicht. Der Bundesrat und die EU sollten alles daran setzen, dass diese Interpretation zu Beginn der Wintersession 2016 vereinbart ist.

2. Massnahmen zur gelingenden Arbeitsimmigration in die Schweiz
Die vom Volk angenommene Verfassungsbestimmung über die Zuwanderung ruft auch nach innenpolitischen Massnahmen. Es sind die Massnahmen, die im gesamtwirtschaftlichen Interessen liegen. Arbeitsimmigration kann nicht nur den Konzernen dienen, die Arbeitnehmenden müssen sicher sein, dass sie nicht zum Spielball werden. Darum braucht es eine funktionierende Lohnkontrolle, darum braucht es in der Schweiz eine dauerhafte Qualifizierungs- und Fachkräfteinitiative, darum brauchte s auch einen erhöhten Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmende. Alles Massnahmen, die wir ohne EU beschliessen können, die aber für eine gelingende und gesellschaftlich akzeptierte Arbeitsimmigration zwingend sind. Wenn der Bundesrat will, dass die Bevölkerung ihn in der Arbeitsmarktpolitik wieder versteht, muss er ein solch schlüssiges Massnahmenpaket gleichzeitig mit dem ersten Punkt auf den Tisch legen.

3. Eine Verfassungsbestimmung , die dem Bilateralen Weg dient
Der dritte Punkt hat mit politischer Ehrlichkeit zu tun. So wie der Bundesrat im 2014 deutlich machte, dass die neue Verfassungsbestimmung im Artikel 121a gegen das Freizügigkeitsabkommen verstösst, muss er nun, die letzten Schritte auch auf der Verfassungsebene angehen. Bilateraler Weg beibehalten heisst denn auch, die Verfassung so zu formulieren, dass dieser Weg auch zukünftig gelingt. Alles andere ist Schummelei. Schummelei hilft in diesen Zeiten nicht mehr weiter. Die Punkte 1-3 zeigen, was in einem Kontext des Bilateralen Weges möglich ist. Die Bundesversammlung muss bis Ende 2016 dies alles genehmigen und eine Volksabstimmung im ersten Halbjahr 2017 einleite. Denn wir haben bereits zu lange eine Zeit der Rechtsunsicherheit. Die Schweizer Bevölkerung muss sich in den nächsten 12 Monaten entscheiden, ob sie auf dem Bilateralen Weg wieder Rechtssicherheit schaffen will.

4. Einen Rahmen zur Sicherung des Bilateralen Weges
Wenn 2017 die ersten drei Punkte unter Dach und Fach sind, dann kann man sich dem Rahmen des Bilateralen Weges widmen. Nach dem Brexit hat dies keine Eile, ich teile die Ansicht von altBundesrätin Micheline Calmy Rey. Aber man muss auch nicht meinen, die EU mache uns dann ein neues Angebot. Es ist unser Problem, dass wir als Nicht-Mitglied möglichst viel mit der EU regeln wollen, denn wir sind mitten in Europa auf eine dauerhafte und gute Beziehung mit der EU angewiesen. Ich bin kein „Fan“ eines institutionellen Rahmens, aber ich bin ein richtig grosser Fan von Rechtssicherheit. Das hat der Bilaterale Weg gebracht, wir sollten das fragile Gebilde etwas stabiler machen. Ein wichtiger Zwischenschritt, der 2018 anstehen wird.

5. Mehr Mitbestimmung in Europaangelegenheiten
Und wenn es uns gelingt, mit den ersten drei Schritten das brüchige Verhältnis Schweiz-EU im 2017 wieder herzustellen, dann kann man im 2018 das fragile Verhältnis noch festigen, dauerhafter anlegen. Es bleibt aber ein grosses Defizit, das wir nicht aus den Augen verlieren sollten. Im Reden von Unabhängigkeit verpassen wir die Mitbestimmung in europäischen Angelegenheiten. Ein unbedarfter Jugendlicher meinte letzthin im Arena-Publikum, die EU sei ein sinkendes Schiff. So viel Desinformation habe ich noch selten in einem Votum gehört. Die EU wird – bei allen Krisen, die sie aktuell durchläuft – die Plattform sein, wo europäische Angelegenheiten entschieden werden. Es ist nicht gut, dass wir andere entscheiden lassen. Wir müssen in europäischen Angelegenheiten möglichst viel Mitbestimmung erreichen. Alles andere wäre Selbstbetrug und führt uns in Abhängigkeiten, statt in die mitbestimmende Freiheit.