Strommarktöffnung braucht Privatisierungsverbot bei den Netzen

Strommarktöffnung braucht Privatisierungsverbot bei den Netzen 150 150 Eric Nussbaumer

Der Bundesrat will die zweite Stufe der Strommarktöffnung mit einem Grundversorgungsmodell umsetzen. Das ist der richtige Ansatz, aber er genügt nicht. Im wettbewerblichen Strommarkt muss das Verteilnetz vor Privatisierungsgelüsten geschützt werden. Eine grundsätzliche Ablehnung steht gegen ein Modell des optimierten wettbewerblichen Strommarktes.  

Die Diskussion um den Strommarkt ist in der Linken schwierig. Liberalisierung, Privatisierung, Abbau von Service Public, Schwächung der Versorgungssicherheit – alles wird in einem Atemzug genannt, auch wenn die Fakten und Erfahrungen zum wettbewerblichen Strommarkt anders liegen. Immerhin: Inzwischen müssen auch die härtesten Kritiker der wettbewerblichen Umgestaltung des Strommarktes zugeben, dass eine Liberalisierung nicht einfach mit einer Privatisierung einhergeht und schon gar nicht einhergehen muss. Denn die Erfahrung der ersten Stufe der Strommarktöffnung seit 2008 zeigt, dass wir erfolgreich die Privatisierung des schweizerischen Übertragungsnetzes (heute Swissgrid) verhindern konnten. Ebenso konnte verhindert werden, dass die Eigneranteile der Schweizerischen Netzgesellschaft an die Börse gehen dürfen und sich dadurch den gewinnmaximierenden Bedingungen der privaten Kapitaleigner unterwerfen müssten. Diese zwei Punkte sollten uns auch in der zweiten Stufe der Strommarktöffnung leiten. Nach dem Übertragungsnetz dürfen auch die Verteilnetze in den Dörfern und Städten nicht ins Eigentum von Privaten übergehen und kein Netz darf der Kapitalspekulation an der Börse unterworfen werden. Dadurch erreichen wir, was im Kern eine sichere und demokratisch kontrollierte Stromversorgung ausmacht. Indem die Netze öffentlich bleiben oder öffentlich kontrolliert werden, kann die Investition in die gesamte Infrastruktur für die öffentliche Hand, aber auch für unsere Pensionskassen attraktiv und sicher bleiben.

Damit ist aber andererseits die Frage der Investitionssicherheit bei den Produktionsanlagen noch nicht gelöst. Entscheidend ist dabei, dass die zukünftige Investitionssicherheit für die Produktionsanlagen aus erneuerbaren Energien in der Schweiz besser ist als im europäischen Umfeld für die fossilen und atomaren Anlagen. Dazu dient aber die linke Fiktion überhaupt nicht, eine genügende Investitionssicherheit für die Schweizer Wasserkraft und die neuen Erneuerbaren sei mit einer Abschottung der gefangenen Endkunden zu erreichen. Denn auch hier zeigt die Erfahrung, dass ja genau diese Marktabschottung für unsere Wasserkraftwerke nichts mehr nützt. Europa und die gemeinsamen gesetzlichen Bestimmungen des Binnenmarktes schlagen voll auf die Schweiz durch. Es ist daher falsch, die Bedenken gegen eine weiter Marktöffnung als Konzept der Linken gegen Europa und als Investitionsschutz für die Schweizer Wasserkraft zu positionieren. Denn, die Schweizer Wasserkraft kommt dennoch weiter unter Druck und die Pumpspeicherwerke in Norwegen werden wichtiger als die Pumpspeicherwerke auf der antieuropäischen Strominsel Schweiz. Ich meine: Antieuropäisch ist nie eine Option für unser Land, ganz besonders gilt dieser Grundsatz aber für den Stromhandel und den Strommarkt.

Wer die zweite Stufe der Strommarktöffnung strikt ablehnt, schwächt den Service Public, handelt nicht im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten und verpasst die grösste Chance für eine klare linke Positionierung gegen die Privatisierung der Netze. Die grosse Chance einer langfristigen Rekommunalisierung und Demokratisierung aller Stromnetze und die gesetzliche Verankerung eines Privatisierungsverbotes für die Stromnetze in den Städten und Gemeinden sollten wir nicht mit einem unsorgfältigen Vernehmlassungs-Nein zur zweiten Stufe Strommarktöffnung vorbeiziehen lassen.