Die Tageswoche wollte eigentlich eine Wochendebatte zu dieser Frage lancieren und hatte die Vorstellung, dass ich diese Frage mit Ja beantworten würde (kein Mensch weiss warum die auf solche Ideen kommen). Schliesslich fiel die Debatte aus, weil sich einfach keine Person mit der Position finden liess, die das Religiöse aus dem dem öffentlichen Raum in die Privatsphäre verbannen will. Mein Standpunkt zu Frage steht nun – nicht debattiert – hier.
Mein religiöses Verständnis ist mein persönliches religiöses Verständnis. Aber es wäre falsch zu glauben, weil ich dieses Verständnis habe, dürfe ich das nicht im öffentlichen Raum kommunizieren oder mit anderen teilen. Der Satz „Religion ist Privatsache“ vermischt regelmässig zwei Dinge, die unterschiedlich beantwortet werden müssen, nämlich die Trennung von Kirche und Staat und die Religion als öffentliche Angelegenheit.
Die Trennung von Kirche und Staat hat zwei Seiten, die mir wichtig und heute breit anerkannt sind. Der Staat hat sich weder in Glaubensstreitigkeiten noch in die Besetzung von kirchlichen Ämtern einzumischen. Der Staat hat sich in Kirchenfragen neutral zu verhalten. Der Staat ermöglicht (und garantiert) aber demgegenüber mit seiner weltanschaulichen Neutralität gleichzeitig auch die Religionsfreiheit für alle. Die Kirche oder eine Religion kann andererseits unter dem Trennungsgedanken auch niemals das staatliche Handeln oder die Regeln für das Zusammenleben im Staat festlegen. Kirche und Staat dürfen in einer multireligiösen Gesellschaft nicht zusammengefasst oder quasireligiös verwoben sein, allein schon um den inneren Frieden zu gewährleisten und zu sichern.
Politiker haben unterschiedliche Prägungen. Vielleicht gehören sie einer Religionsgemeinschaft an, vielleicht auch nicht. Der christliche Glaube findet nach meinem Verständnis aber nicht nur in mir privat statt, sondern steht immer auch im Verhältnis zu meinem Mitmenschen, er hat eine gesellschaftliche Dimension. Noch kürzer: er hat eine politische Dimension. Johannes Rau hat einmal gesagt „der weltanschaulich neutrale Staat ist auf Überzeugungen angewiesen, die Werteorientierung haben und geben wollen“. So verstanden hilft die künstliche Grenzziehung von privat und öffentlich in Sachen Religion bei den Politikern nicht weiter.