bz-Interview: Auch die Schwächen nicht verstecken

bz-Interview: Auch die Schwächen nicht verstecken Eric Nussbaumer

Für SP-Nationalrat Eric Nussbaumer geht nach seiner Nomination der Wahlkampf für den Regierungsrat los. Seine Parteikollegen zählen auf den nach eigenen Worten kompromissbereiten Sozialdemokraten. Aber auch seine Schwächen will er nicht verstecken.

von Leif Simonsen /bz Basel

Herr Nussbaumer, nun ist offiziell, was schon seit letzter Woche feststeht: Sie wurden von den SP-Delegierten zum einzigen Regierungskandidaten ernannt. Warum hat sich niemand getraut, intern gegen Sie anzutreten?

Eric Nussbaumer: «Trauen» ist in meinen Augen das falsche Wort. Jeder schätzt seine eigenen Möglichkeiten ab – eine Parteistrategie lag den individuellen Entscheiden nicht zugrunde. Es gab parteiintern keine Absprachen, wer antreten solle.

Gehen wir realistischerweise von einem Zweikampf aus: Sie gegen einen der fünf kandidierenden SVPler. Wen erwarten Sie auf der Gegenseite?

Es liegt an der SVP, das zu entscheiden.

Anders formuliert: Vor wem hätten Sie am meisten Respekt?

Ich habe vor allen Respekt, sei es ein Thomas Weber oder ein Hanspeter Ryser (SVP-Kandidaten, Anm. d. Red.). Die haben politisch auch Kompetenzen und Erfahrungen. Wichtig ist aber auch der Bekanntheitsgrad: Und der ist nicht bei allen SVPlern gegeben.

Sind Sie eigentlich verärgert über die CVP, die schon früh mit der SVP geflirtet hat?

Dass sich die CVP mit den zwei anderen bürgerlichen Parteien zusammentut, hat Tradition. Es gab ja nur einen Unterbruch, als sie sich bei den letzten Wahlen mit der GLP, der BDP und der EVP zur sogenannt «Starken Mitte» zusammentat. Offenbar war das nur ein unglaubwürdiges Intermezzo – was ich bedaure. Denn es gibt gewiss Bedarf für eine starke Mitte, das zeigen auch meine Erfahrungen in Bundesbern.

Nicht alle CVPler werden sich dem Parteidiktat beugen. Rechnen Sie bei der Zusammenstellung Ihres Wahlkomitees mit der Unterstützung von Abweichlern?

Mein Unterstützungskomitee steht allen offen. Ich werde jedoch nicht aktiv CVP-Exponenten angehen. Die Ausgangslage möglicher Abweichlerinnen oder Abweichler ist ja auch nicht einfach: Je eher man in der Partei exponiert ist, desto schwieriger ist es, sich gegen sie zu stellen. Die Jagd nach wichtigen CVP-Exponenten wäre schlecht investierte Wahlkampfzeit.

Wer wird Sie wählen?

Ich bin ein Sozialdemokrat, der in sozialen und ökologischen Fragen klare Positionen sichtbar macht. Also werden es Wählerinnen und Wähler der SP, der Grünen und sicher auch der EVP sein. Aus der gesellschaftlichen Mitte, die meist nicht einer Partei angehört, wird es auch sehr viele Stimmen geben.

Gehen wir davon aus, dass Sie bei einer Wahl das Amt des Finanzdirektors übernehmen. Wie qualifizieren Sie die Arbeit des abtretenden Finanzdirektors Adrian Ballmer?

Was das politische Handwerk angeht, ist Herr Ballmer einer der besten Regierungsräte. Er ist sehr dossierfest und macht sich fundierte Gedanken. Er stellt sich aber auf einen anderen Standpunkt als ich: Wenn wir die Steuern senken, denkt er, wird der Standort attraktiv. Damit kämen die Steuerzahler zu uns, womit wiederum der Steuerertrag erhöht wird. Meine Überlegung ist eine andere: Ich werde nicht eine beliebige Begründung für Steuersenkungen suchen. Zuerst müssen die Finanzen mit den bestehenden Einnahmemöglichkeiten ins Lot gebracht werden, dann erst kommen Steuersenkungen aufs Tapet. Wenn wir den Staatshaushalt nicht mit Disziplin unter Kontrolle bekommen, stehen Steuererhöhungen ins Haus. So hat das auch Adrian Ballmer dargelegt, als das Entlastungspaket scheiterte. Noch können wir das abwenden, wenn wir diszipliniert den eingeschlagenen Kurs des mehrjährigen Finanzplans weiterverfolgen. Und vergessen Sie nicht: Über Steuererhöhungen entscheidet nicht der Regierungsrat, sondern das Parlament.

Sie gelten nicht als stromlinienförmig: Das müssen Sie als Legislativpolitiker auch nicht sein. Sind Sie überhaupt bereit, sich in einem Gremium wie dem Regierungsrat einzuordnen?

Auch in der Legislative gibt es Momente, wo man Kompromisse finden muss. Wenn Sie sich in Bundesbern, aber auch in der Kantonspolitik umhören, werden Sie zur Erkenntnis kommen, dass die kompromissbereite, nüchterne Seite in mir stark ausgeprägt ist. Stärker noch als jene, die mit Rundumschlägen Medienaufmerksamkeit sucht. Kompromissbereitschaft und Lösungsorientiertheit sind mir beileibe nicht fremd – nicht zuletzt wegen meiner unternehmerischen Tätigkeit. Gerade deswegen interessiere ich mich ja auch für ein Exekutivamt, ich will Lösungen gestalten.

Jetzt kommt der Wahlkampf auf Sie zu. Dies ist eine Zeit, in der Sie viel über Ihre Stärken reden werden. Verraten Sie doch, wo Ihre Schwächen liegen!

Damit habe ich kein Problem. Zum einen verwende ich vergleichsweise viel Zeit zum Überlegen. Wenn ich mir diese Zeit nicht nehmen kann, dann werde ich unsicher. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass ich entweder falsch entscheide oder jemanden vor den Kopf stosse. Ich würde mich schlicht unwohl fühlen in einem Job, in dem man blitzschnell entscheiden müsste. Eine andere Schwäche ist, dass mir der letzte Biss fehlt. Es ist unvorstellbar, dass ich etwa den Jungfraumarathon mache. Meine Lockerheit kann hin und wieder eine Schwäche sein. Ich höre in der 88. Minute mit dem Fussball spielen auf und nicht erst in der 93. – insbesondere, wenn ich 3:0 im Rückstand bin.

Apropos Lockerheit: Haben Sie sich schon mit der Tatsache befasst, dass Sie zukünftig nur in Krawatte zur Arbeit dürfen?

Ich habe ein gesundes Verhältnis zur Krawatte (lacht). Es ist gewiss nicht mein Lieblingskleidungsstück – aber zur Rolle des Repräsentanten gehört sie nun mal. Wenn ich beispielsweise die Schweiz in der EU-Delegation repräsentiere, dann trage ich auch eine Krawatte, ohne zu murren. Wie sagte Ben Bernanke nochmals, als er amerikanischer Notenbankchef wurde? «Das einzig Hässliche an meinem Job ist diese Krawatte.»