Europapolitische Optionen

Europapolitische Optionen Eric Nussbaumer

Die Schweiz muss sich endlich europapolitisch entscheiden. Der Weg zum Abschluss neuer bilateraler Abkommen stockt. Seit mehreren Jahren kann die Schweiz mit ihrem wichtigsten Handelspartner EU keine neuen Abkommen mehr abschliessen. Das ist Gift für die Zukunft unseres Landes. Der bilaterale Weg kommt zu einem Ende. In dieser Zeit haben wir fünf Optionen, zwischen denen wir uns klar zu entscheiden haben.

1. Wir lassen alles wie es ist
Der Zustand der Abkommen mit der EU wird nicht mehr weiterentwickelt. Das würde einem Einfrieren gleich kommen. Wahrscheinlich ist das realpolitisch nicht möglich, so erreicht unser  Land keine bessere Marktintegration udn erleidet Wohlstandsverluste. Die Schweiz würde mehr und mehr den Kontakt zum restlichen Europa und seinen Regeln verlieren. Unternehmen würde die Schweiz verlassen, weil wir nicht optimal in den Binnenmarkt integriert bleiben.

2. Neue sektorielle Abkommen abschliessen
Das ist der Weg, den der Bundesrat beschreiten will. Er will den sog. Bilateralen Weg erneuern und in einem nächsten Abkommen auch die sog. institutionelle Frage lösen. Was mit den restlichen Abkommen wann geschieht bleibt ungeklärt. Die EU will diesen Lösungsansatz nicht mehr. «The EU’s experience in its relations with major partners has demonstrated that the disadvantages of the sectoral approach include unmanageable complexity and legal uncertainty“. So die Kommissionsmeinung vor wenigen Tagen in einem Bericht zu Handen der Kleinststaaten wie Monaco. Das muss man zur Kenntnis nehmen und intelligent antworten. Es bleiben noch drei Optionen.

3. Rahmenabkommen Schweiz-EU
Wir schliessen für alle oder für die wichtigsten Verträge ein Rahmenabkommen Schweiz-EU ab. Das ist ein gangbarer Weg und eigentlich ist das gemeint, wenn wir die institutionelle Frage mit der EU klären wollen. Es muss mehrere Abkommen betreffen. Quasi den Acquis Suisse. Von Seiten der EU ist das zwar – wenn auch ungern – möglich, aber wir müssten exakt wissen, was denn anders sein soll als im EWR-Abkommen. Die skizzierten Vorschläge des Bundesrates überzeugen jedenfalls noch nicht.

4. Eintritt ins EWR-Abkommen
Der Eintritt ins bestehende EWR-Abkommen ist natürlich weiterhin möglich. Es ist das weitestgehende Abkommen, welches die  EU gegenüber Drittstaaten bisher angeboten hat, die nicht Mitglied werden wollen. Die Beziehung EU-EWR  ist in einem Abkommen (acquis EWR)  abschliessend und institutionell gut geregelt. Einfach einsteigen wäre eine günstige und langfristig intelligente Lösung um den Marktzugang zum europäischen Binnenmarkt nicht zu gefährden.

5. Wir streben den EU-Beitritt an
Bis vor kurzer Zeit war der EU-Beitritt auch im Bundesrat eine denkbare Option. Sie wäre mit einem echten Souveränitätsgewinn verbunden, weil dann die Schweiz die europäische Entwicklung aktiv mitgestalten könnte und nicht im Nachvollzug verharrt.

Ich plädiere dafür, dass sich unsere europapolitische Strategie zwischen den Varianten 3 bis 5 einordnet. Der vom Bundesrat im 2012 aufgenommene „Europa-Dialog“ zur Erneuerung des bilateralen Weges ist keine europapolitisch Vision, es ist die europapolitische Sackgasse. Denn eine europapolitische Vision ist mehr als der Dialog zur institutionellen Frage und die Fortführung des bilateralen Weges. Im Gegensatz zum Bundesrat erachtet ich den bilateralen Weg (weitere sektorielle Abkommen)  nicht mehr als das geeignete und zukunftsfähige Instrument der schweizerischen Europapolitik. Der bilaterale Weg kommt zu einem Ende. Der bilaterale Weg braucht keine Erneuerung, wenn ein Partner ihn nicht mehr beschreiten will.

Ich werde mithelfen den bisherigen bilateralen Weg und die dabei abgeschlossenen Abkommen endlich unter verlässliche institutionelle Regeln (Freihandel zwischen der EU und einem EFTA-Mitgliedsstaat) zusammen zu führen. Ob das in einem neuen Rahmenabkommen  Schweiz -EU oder mit einem Eintritt ins EWR-Abkommen geschehen kann, ist zweitrangig. Schliesslich muss der EU-Beitritt wieder eine klare Option für die nahe Zukunft werden. Der Bundesrat muss deutlich machen, dass unser Aufgabe und unsere Zukunftschance als Land  in der Gestaltung von Europa liegt und nicht im raschen Abschluss eines Freihandelsabkommens mit China. Denn Europa mitgestalten, muss im Interesse von allen Europäern sein. Es braucht ein Europa für alle, statt für wenige.